EIN BEKLEMMENDER BRIEFWECHSEL, DER UNTER DIE HAUT GING
„Adressat unbekannt“ schildert das Schicksal der Juden in der Nazizeit. Von Johannes Baumert
Ein erschütterndes Bild von beklemmender Aktualität zeichnet Kressmann Taylor in ihrem literarischen Meisterwerk „Adressat unbekannt“ über das Schicksal der Juden in der Nazizeit. Das Holzbanktheater hat sich unter der Regie von Ozana Costin intensiv mit dem Briefroman auseinandergesetzt.
Am Sonntag wurde es innerhalb der Antifa-Woche in einer aufrüttelnden Vorstellung zur Aufführung gebracht. Rolf Schnitger und Torben Kallenberg sind dabei als Laienschauspieler und Teilnehmer an einem Kurs von Ozana Costin über sich hinausgewachsen. Angespannt lauschten ihnen die Zuschauer.
In 19 Briefen begegnen sich zwei Menschen, die als Geschäftspartner in den USA eine innige Freundschaft verband. Der Jude Max Eisenstein führte in San Francisco die Geschäfte weiter, als der deutsche Partner Martin Schulze 1933 nach München zurückkehrte. Waren die ersten Briefe noch erfüllt von gegenseitigem Vertrauen und tief empfundener Freundschaft, so änderte sich das sehr schnell.
Schulze ließ sich 14 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs von dem „guten Führer Adolf Hitler“ blenden und wurde ein treuer Gefolgsmann. Daran änderten auch eindringliche Warnungen seines jüdischen Freundes nichts.
Das ging so weit, dass sich der fanatisierte deutsche Freund weigerte, der Schwester seines Freundes, die als Jüdin in Berlin in Bedrängnis gekommen war, zu helfen. Er verweigerte ihr sogar sein Haus, als sie von Nazischergen verfolgt wurde, so dass sie vor seinem Haus ermordet wurde.
Die Antwort aus San Francisco kam postwendend. Eisenstein sandte dem ehemaligen Freund Briefe, die ihn als Judenfreund darstellten und verdächtig machten. Schulze wurde beschattet, verlor seine Ämter und war ein gebrochener Mann.
Die Briefe wurden nicht einfach vorgelesen. Die Vorleser waren durch eine Wand voneinander getrennt. Die Wandlung in ihrem Leben brachten sie deutlich zum Ausdruck – eine große schauspielerische Leistung – die bei beiden in tiefer Verzweiflung endete. Das alles wurde durch musikalische Einblendungen unterstrichen. So wurde es eine Vorstellung, die allen Zuschauern unter die Haut ging.